Sandria – eine Tierschutzhündin mit besonderen Schutzengeln

Dezember 2012. Die neunjährige Berner Sennenhündin Sandria, genannt Sanny, genieβt ihr Leben.
Sie ist eine scheue Hündin, die aber das Leben in ihrer Familie auf ihre Weise sehr schätzt.
Ihre Familie tut alles für die liebe Sanny und hat ihr Leben so gestaltet, dass es ihr gerecht wird.
Ihre Gesundheit ist stabil und gut – und ist alles andere als selbstverständlich.

Werfen wir einen Blick zurück.


Dezember 2010. Eine sehr zierliche Hündin kommt bei Berner Sennenhunde in Not e.V. (BSiN) an.
Sie wird Sandria genannt. Sandrias bisheriges Leben war trostlos:
Als Vermehrerhündin musste sie unter desolaten Umständen Welpen produzieren,
ohne medizinische Versorgung und praktisch ohne Kontakt zu Menschen. Ihr Zustand ist entsprechend
erschreckend: Das Fell ist verklebt und verfilzt, die Augen sind voller Angst.



Sandria wiegt 32 Kilogramm, was für ihre Größe eindeutig zu wenig ist.
Zwischen den Vorderläufen wächst ein faustgroßer Tumor.





Sandria wird von der Pflegefamilie Annemie und Rainer S. liebevoll in Empfang genommen. Sandria darf hier erst einmal zur Ruhe kommen und soll langsam aufgepäppelt werden. Zuvor jedoch wird Sandria, wie jeder Neuankömmling, gründlich tierärztlich untersucht. Sie wird kastriert und der Tumor entfernt und analysiert.

Der Befund ist niederschmetternd: Sandria leidet unter einem Mastzelltumor, Stage III. Ihre Lebenserwartung ist, dem späten Stadium zufolge, sehr kurz. Es sei denn, es gelänge, ihre Krankheit mit einer neuartigen Therapie zurückzudrängen. Eine sehr kostspielige Therapie, welche die Vereinskasse von BSiN mit monatlichen Kosten von über 500 Euro enorm belasten würde. Der Vorstand und das Team müssen nicht lange überlegen – Sandria soll ihre Chance erhalten. Eine Sammelaktion im Internet-Forum wird gestartet, die bis heute stolze 3000 Euro in die Sandria-Kasse brachte.

Sandria wird in der Tierklinik Duisburg Asterlagen von Dr. Markus Stolze betreut. Dr. Stolze ist leitender Tierarzt mit Schwerpunkt Tumorerkrankungen. Sandria erhält, entsprechend ihres Körpergewichts, ein Medikament in Tablettenform, jeweils an jedem zweiten Tag. Die Tabletten dürfen von Menschen nur mit Gummi-Handschuhen angefasst werden. Sandria schluckte sie sehr ungern; manchmal dauert es bis zu einer Viertelstunde, bis sie sie eingenommen hat. Sie darf sie auch nicht zerkauen.

Die Therapie dauert neun Monate. Während dieser Periode wird monatlich ein Blutbild erstellt, um die Folgen der Therapie auf den Organismus zu analysieren. Und die zierliche Sandria erstaunt alle: Nicht nur verbessert sich ihr Zustand während der Behandlung markant, sondern sie erträgt die Medikamente auch ohne Nebenwirkungen. Sie erbricht nicht, hat keinen Durchfall, kein Fieber. Die Blutwerte weichen nur leicht von den Normen ab. Sandria nimmt sogar zu, was durchaus erwünscht ist.






Nach neun Monaten Therapie muss eine Pause von mehreren Monaten eingeschaltet werden, während der Körper sich regeneriert. Sie hat sich nun so weit erholt, dass ein wichtiges neues Kapitel in ihrem Leben beginnt: Ende September 2011 darf sie zu ihrer neuen Familie umziehen, die sie während ihrer Zeit in der Pflegestelle schon gut kennen gelernt hat.

Ihr neues Frauchen, Anita, beschreibt ihr Leben mit Sanny, wie sie heute heiβt, so:


„Zuerst konnte sich Sanny von der neunmonatigen Therapie erholen und sich bei uns einleben. Anfang Oktober 2011 fahren wir zur Kontrolle in die Tierklinik. Dort werden ein Röntgenbild der Lunge sowie ein Ultraschall der Organe gemacht. Alles war in Ordnung; die kleinen Veränderungen sind altersbedingt.

Anfang November 2011 finde ich wieder einen Knubbel bei Sanny. An der gleiche Stelle, wo sich der erste, große Tumor befunden hatte. Es ist schon sehr auffällig, dass der Körper wieder angefangen hat, Tumore zu bilden, seit Sanny das Medikament nicht mehr erhält. Erst wird der Knubbel punktiert, aber diese Entnahme von Zellen ist nicht aussagekräftig genug. Also entscheiden wir uns, erneut zu operieren. Die Wundheilung verläuft ganz normal. Der Knubbel ist leider wieder einen Mastzelltumor Stage III. Da Sanny auf die Therapie so gut angesprochen hatte, beginnen wir Anfang Dezember 2011 erneut mit einer Behandlung.

Dieses Mal sehe ich schon nach zwei Tagen, dass es Sanny nicht gut geht. Sie ist sehr ruhig, schläft viel und geht kaum hinaus. Am dritten Tag hat sie Probleme beim Gehen, vor allem die Hinterläufe gehorchen ihr nicht mehr ganz. Am vierten Tag müssen wir sie unterstützen, damit sie aufstehen kann, sie kann nur noch ganz langsam gehen. Auch im Garten müssen wir sie unterstützen beim großen und kleinen Geschäft, sie kann sich selbst nicht mehr auf den Beinen halten. Und am fünften Tag kann sie gar nicht mehr gehen. Wir tragen sie hinaus getragen und halten sie draußen, bis sie sich erleichtert hat. Nach Rücksprache mit der Tierklinik wegen der extremen Nebenwirkungen entscheiden wir uns, die Therapie abzubrechen. Man darf die Dosis höchstens um 10 % reduzieren, was bei so starken Nebenwirkungen wenig helfen würde. Tabletten gegen die Nebenwirkungen gibt es leider nicht, und diese können während drei bis sechs Monaten anhalten. Glücklicherweise dauert es bei Sanny nicht so lange; nach etwa zwei Wochen geht es ihr wieder besser.

In den nächsten zwei Monaten wachsen Sanny noch zwei neue Knubbel, diesmal an anderen Stellen, am Gesäuge und am Bauch. Und im Juli 2012 finden wir auch noch einen Knubbel am Vorderbein. Dr. Stolze rät uns von einer operativen Entfernung ab, solange die Tumore nicht stören und Sanny sich wohlfühlt. Und genau das macht uns Mut und gibt uns Zuversicht: Es geht Sanny gut. Sie hat etwas Probleme mit den Zähnen und auch immer mal wieder mit den Ohren. Manchmal hat sie Hüftprobleme, wofür sie ein Schmerzmittel nach Bedarf erhält. Sie frisst gut. Sie hat mittlerweile etwas erhöhte Leberwerte und eine leichte Bauchspeicheldrüsen-Entzündung, die behandelt wurde.

Sanny ist ein Hund, der noch immer, nach fast zwei Jahren bei uns, ziemlich ängstlich ist. Wir müssen ihr Leben so gestalten, dass sie in der Lage ist zu fressen und ihre Geschäfte zu erledigen. Menschliche Nähe geht noch immer gar nicht, außer meine und die meines Mannes. Wenn wir Besuch haben, liegt Sanny die ganze Zeit an ihrem sicheren Platz und rührt sich nicht, außer ich bringe sie in den Garten oder gehe mit den Hunden spazieren. Fressen kann sie auch nur unter bestimmten Bedingungen. Mit der Stubenreinheit funktioniert es nicht immer. Sanny kann definitiv nicht bellen! Wir kennen den Grund nicht. Sie probierte es einmal, aber sie kann nur fiepsen.

Heute meistert Sanny ihr Leben mit Unterstützung unserer anderen Hündin. Sie orientiert sich unglaublich an ihr, hingegen ist unser junger Rüde für Sanny uninteressant.

Sanny ist kein Hund wie andere. Trotzdem haben wir sie unglaublich lieb und sind glücklich über jeden Tag den sie bei uns erleben darf.“

Sannys Schicksal ist ein schönes und herzerwärmendes Beispiel dafür, was dank viel Liebe, Solidarität und Fachwissen erreicht werden kann. Dass Sanny nun jeden Tag genieβen darf, macht uns und die die Fachärzte sehr glücklich. Wir danken den vielen Menschen, die Sanny in ihr Herz geschlossen haben und dazu beigetragen haben, dass sie heute ein glückliches Leben verbringen darf.


Sanny verstarb am 17. November 2013, liebevoll begleitet und geliebt, in ihrer Familie.